Die Welt, Medizinbeilage, Dezember 2012, Ulrike Schupp.
Ihr Fall ging durch die Presse. Am 31. Mai 2008 wird das britische Model Katie Piper in London Opfer eines schweren Schwefelsäureattentats. Ein Bekannter ihres Exfreunds ist der Täter. Die schweren Verletzungen sieht man der jungen Frau heute kaum noch an. Nach mehr als 100 Operationen lassen sich die Narben fast vollständig überschminken. Was in den Medien oft so spektakulär dargestellt wird wie eine Wunderheilung, ist eine Kette von medizinischen Einzelleistungen, die für sich genommen von Fachärzten auch im Alltag regelmäßig durchgeführt werden. „Rund 80 Prozent der Fälle in der Plastischen Chirurgie in Deutschland sind rekonstrutiv,“ sagt Professor Johannes Bruck, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetischen-Plastischen Chirurgen. Dazu gehören die Behandlung von Gesichtsnervenlähmungen, Tumorchirurgie, Eingriffe nach Verletzungen und Verbrennungen, Alterschirurgie, die dann zum Beispiel die Funktionen der Extremitäten erhalten soll oder Operationen an den Händen. Etwa 15 Prozent der Fälle kombinieren Schönheit und Rekonstruktion.
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Es sind kleinere Eingriffe, die dazu beitragen, ein Lächeln wieder hervorzuholen.
60-, 70- und sogar 80-jährige sind heute so fit wie die Generationen vor ihnen mit 40, 50 oder mit 60 Jahren. „Patientinnen beklagen sich, dass sie in den Spiegel blicken und das Gefühl haben, ihre Großmutter zu sehen. Das passt dann einfach nicht. Nicht zu ihnen und nicht zu ihrem aktiven Leben“, sagt Johannes Bruck. Es sind kleinere Eingriffe, die dazu beitragen, ein Lächeln wieder hervorzuholen. Oft ist es vielleicht nur die alterstypisch ein wenig hängende Kieferpartie, die den Eindruck von Negativität und permanent schlechter Laune erweckt.
„Die Medizin ist eher eine ständige Evolution als eine Revolution,“ sagt Bruck. Sehr verändert hat sich etwa das Handling von Fettgewebe. Es sei inzwischen möglich, Fett durchblutet in größeren Mengen dort hin zu transportieren, wo es hin soll, etwa um eine Brust zu rekonstruieren nach einer Krebs-OP, oder wenn sie durch mehrere Schwangerschaften gelitten hat. Körpereigenes Gewebe wird leichter angenommen als fremdes. Das Ergebnis ist häufig „natürlicher“ und es gibt nur selten Nachkorrekturen.
Nur wenige Patientinnen folgen ausschließlich einem Schönheitsideal
Nur ganz wenige Patienten folgen ausschließlich einem Schönheitsideal, wenn sie sich einem Eingriff unterziehen. Auch bei ihnen geht der Trend insgesamt zurück zum natürlichen Aussehen. Ballonbrüste und prall aufgespritzte Lippen sind so out wie glattgebügelte Botoxgesichter ohne Mimik. Etwa 81% der Kunden in der klassischen „Schönheitschirurgie“ sind weiblich. Während bei Frauen zwischen 20 und 40 Jahren die Fettabsaugung, gefolgt von Brustvergrößerung und Bruststraffung die gefragteste Maßnahme ist, wünschen sich Frauen zwischen 40 und 50 Jahren eher eine Augenlidplastik. Männer holen auf: Fettabsaugung und Augenlidstraffung erfreuen sich auch bei ihnen zunehmend an Beliebtheit.
Für Laien kaum einzuschätzen – Erfahrung und Fachkompetenz eines „Schönheitschirurgen“
Dabei sind die Erfahrung und die Fachkompetenz eines „Schönheitschirurgen“ für Laien schlicht nicht einzuschätzen. Das 2006 von Stephan Hägeli gegründete deutsch schweizerische Unternehmen Acredis fördert deshalb Qualitätssicherung und Transparenz in der Ästhetischen Chirurgie. Acredis hilft bei der Auswahl des Facharztes oder beim Einholen einer zweiten Arzt- Meinung, leistet Aufklärungsarbeit im Hinblick auf die Risiken eines Eingriffs und berät bei Re-Operationen, wenn Patienten mit dem Ergebnis einer früheren OP nicht zufrieden sind. „Schönheit ist ein Statussymbol, zudem gilt sie immer mehr als Garant für Anerkennung im Berufsleben und für Erfolg bei der Partnersuche. Ein großer Trend ist, dass Schönheitsideale sich im Zuge der Globalisierung international immer mehr angleichen“, sagt Stefan Hägeli.
Ob sie in guten Händen sind, bemerken Patienten nicht zuletzt an der Risikoaufklärung im Vorfeld einer Behandlung. „Dazu gehört das offensive Ansprechen von Schmerzen“, betont Johannes Bruck. Etwa fünf bis sechs Stunden nach der Narkose kommt unweigerlich der Schmerz. Ein gutes Schmerzmanagement trägt viel dazu bei, ihn zu lindern. Das läuft nicht nur über Medikamente. Die Patienten erhalten eine Skala mit Werten zwischen eins und zehn, über die sie ihre Schmerzen einschätzen. Bei einem höheren Wert wird ihnen dann sofort ein entsprechendes Mittel gereicht. Das Ergebnis ist faszinierend. Zwei Drittel der Patienten benötigen dadurch weniger Schmerzmedikamente. „Der plastische Chirurg sei zugleich auch der letzte allgemeine Chirurg“, sagt Bruck. Er muss die Konsequenzen eines Eingriffs für den ganzen Körper abwägen, psychosoziale Aspekte berücksichtigen und die Motivation der Patienten genau erfragen. Ein Arzt der nur aus eigenem Interesse für einen Eingriff wirbt, handelt unethisch.
Wie schütze ich mich vor Scharlatanen?
Mindestfallzahlen beachten! Facharzttitel und Ausbildung des Arztes allein bieten bei einem Eingriff nicht genug Sicherheit. Fragen Sie nach den Fallzahlen für die jeweils geplante Behandlung. Wer routiniert Brustvergrößerungen durchführt, kann bei Nasenkorrekturen unerfahren sein und umgekehrt. Erfahrung hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Operationsergebnis.
Nichts wie weg, wenn Ihr Arzt neue Techniken und/oder Materialien einsetzen will, die noch nicht hinreichend getestet oder erprobt sind. Sollen Sie ohne viel Bedenkzeit möglichst bald unters Messer und werden gleich nach einer Anzahlung gefragt, ist Ihr Arzt höchstwahrscheinlich ein Scharlatan. Weitere Infos und Checklisten zur Arztsuche finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft der plastischen rekonstruktiven und ästhetischen Chirurgen unter http://www.dgpraec.de .