Ulrike Schupp in ZEIT, Beilage „Zukunft Medizin“. Die Sehkraft am Bildschirm schwächelt und das Verkehrsschild lässt sich auch aus der Nähe eher erahnen als lesen? Oft ist das nicht weiter schlimm. Es muss eben eine neue Brille her. Dank guter Augenärztinnen und Optiker lässt die Lebensqualität oft nicht groß nach, wenn die Augen altern. Ist allerdings die Wahrnehmung in der Mitte des Gesichtsfelds verschwommen und auch Personen sind nur noch schwer zu erkennen, handelt es sich vielleicht um die altersbedingte Makuladegeneration (AMD), eine gefährliche Erkrankung, die die Netzhaut genau an der Stelle schädigt, die meisten Sehzellen hat: an der Makula. Diese ist für scharfes Sehen zuständig.
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AMD – altersbedingte Makuladegeneration
In Deutschland leiden etwa sechs Millionen Menschen an AMD. In fortgeschrittenem Stadium kann sie zu Sehverlust und sogar zur Erblindung führen. AMD ist eine der häufigsten Ursachen für Sehbehinderungen bei Erwachsenen. Zwischen 2011 und 2021 sei die Zahl der Betroffenen um mehr als ein Drittel (36 Prozent) gestiegen, berichtet die Kaufmännische Krankenkasse (KKH). Ursachen hierfür seien übermäßige Smartphone-Nutzung, häufige Bildschirm-Arbeit und erhöhte UV-Strahlung. „Wenn der Zellstoffwechsel in der Netzhaut gestört ist, wird die Mitte, die Makula, nicht optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Zudem werden die dort entstehenden Abfallprodukte nicht effektiv genug abtransportiert. Es kann somit zu Ablagerungen, den sogenannten Drusen kommen,“ erklärt Dr. Tarek Shamia, Augenarzt bei der KKH. In einigen Bereichen sterben die Sehzellen ab. Es kommt zu einer sogenannten geographischen Atrophie. Verbreitet ist vor allem die „trockene AMD“, an der etwa 85 Prozent der Betroffenen leiden. Aus dieser kann sich jederzeit die zweite Form der Erkrankung entwickeln, die „feuchte AMD“. Sie ist zwar seltener, schreitet aber schneller fort. Zur Symptomatik gehören hier neu gebildete, kleine Blutgefäße, die die Versorgung des Auges verbessern sollen, stattdessen aber Blutungen und Schwellungen auslösen.
Auch der Lebensstil spielt eine Rolle
Das Risiko an altersbedingter Makuladegeneration zu erkranken, ist zum Teil genetisch bedingt, steigt aber auch durch Lebensstilfaktoren wie Rauchen und durch Erkrankungen wie Atherosklerose, Diabetes oder Koronare Herzkrankheit, durch erhöhten Blutdruck und ab 60 mit steigendem Alter. Es ist enorm wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren, um ihr Fortschreiten zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen, denn abgestorbene Sehzellen regenerieren sich nicht. „Ein regelmäßiges Überprüfen der Augen mit Hilfe der modernen bildgebenden optischen Kohärenz-Tomographie (OCT) dient dazu, den Krankheitsverlauf zu dokumentieren, die Behandlungsziele zu beobachten und falls notwendig den Behandlungsplan rechtzeitig anzupassen“, sagt Dr. Shamia. Bei feuchter AMD lässt sich der Verlauf durch Medikamente, sogenannte VEGF-Antagonisten, die in den Glaskörper des Auges gespritzt werden, verlangsamen. Sie enthalten Wirkstoffe, die die Neubildung von Blutgefäßen verhindern können.
Trockene AMD gilt als unheilbar. Einen Silberstreif am Horizont verspricht „Syfovre“. Das neue Medikament, das 2023 in den USA erstmals zugelassen wurde, soll 2024 auch in Deutschland auf den Markt kommen. Es enthält einen Wirkstoff, der die Proteine blockieren kann, die für die Ablagerungen in der Netzhaut, das Entstehen der Drusen sorgen und der auch dazu beitragen kann, entzündliche Prozesse im Auge zu reduzieren. Das Medikament soll die geographische Atrophie als Spätfolge der AMD zumindest stark verlangsamen und wurde in den USA bereits an einer breiten Patientenpopulation untersucht. Der Wirkstoff wird ebenfalls ins Auge injiziert, augenblicklich noch alle acht bis zehn Wochen.
Netzhautchips können Defizite der Makulatur ausgleichen
Eine weitere Option sind Netzhautchips, die Defizite der Makula ausgleichen können, indem sie Funktionen der Fotorezeptoren übernehmen. Die erste Implantation in Deutschland gelang 2021 an der Augenklinik Sulzbach im Rahmen einer Zulassungsstudie. 2022 setzte ein Team der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein die Netzhaut-Implantate erfolgreich ein. Patientinnen und Patienten tragen nach dem Eingriff eine Spezialbrille mit Mikrokamera, die den Chip mit Bildsignalen und Energie versorgt. Der Chip stimuliert die Nervenzellen der Netzhaut und überträgt Bildinformationen auf den Sehnerv. „In der Praxis könnte der Chip bis hin zu Lesefähigkeit von mittelgroßen Buchstaben führen“, sagt Prof. Dr. Salvatore Grisanti, der die Operationen durchgeführt hat.
Grauer und Grüner Star
Wer plötzlich feststellt, dass er sich schneller als früher geblendet fühlt, bei Dämmer- oder Gegenlicht schlecht sieht und deshalb zum Beispiel plötzlich unsicher Auto fährt, sollte kontrollieren lassen, ob es sich um den Grauen Star, auch Katarakt genannt, handelt, eine weitere altersbedingte Augenerkrankung. Dabei lässt eine zunehmende Eintrübung der Linse Farben und Kontraste nach und nach immer stärker verschwimmen. Unbehandelt nehmen Betroffene schließlich nur noch Hell und Dunkel wahr. Diabetes und die Einnahme von Medikamenten wie zum Beispiel Kortison oder einige Arten von Antidepressiva können das Entstehen von Grauem Star begünstigen. Zum Glück lässt sich dieser minimal invasiv gut behandeln, indem die trüb gewordene Augenlinse durch eine Kunstlinse ersetzt wird.
Weniger häufig ist das Glaukom, Grüner Star, eine Schädigung des Sehnervs, die mit dem Alter öfter auftritt und zur Erblindung führen kann. Sie betrifft knapp eine Million Menschen in Deutschland. Bei weiteren 1,3 Millionen lassen sich bereits Risikofaktoren wie erhöhter Augeninnendruck erkennen. Wird das Glaukom frühzeitig diagnostiziert, kann es meist durch Augentropfen, die Wirkstoffe enthalten, die den Augeninnendruck senken sollen, gut behandelt werden.
Auch ein unerkannter Diabetes kann zur Gefahr für die Augen werden. Der erhöhte Blutzuckergehalt zerstört die feinen Blutgefäße, die für die Versorgung der Netzhaut notwendig sind und kann so zu einer diabetischen Retinopathie führen. Eine verbesserte Diagnostik bei Diabetes kann dafür sorgen, dass sich auch Folgeerkrankungen besser behandeln lassen.
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