Ulrike Schupp in „Gesundheit & Volkskrankheiten“, Beilage DIE ZEIT, Dez. 2020. Unauffällig erinnert ein leises Piepsen daran, dass die nächsten 250 Schritte fällig sind, sofern man den drohenden Bewegungsmangel nicht weiterhin reglos vor dem Monitor ignorieren will. Was so aussieht wie eine sportlich schlichte Armbanduhr ist ein tragbarer Minicomputer fürs Handgelenk, ein Wearable, das je nach Modell bei Bedarf den Wecker spielt, Schritte zählt, Mails entgegennimmt oder Trainingsverläufe meldet. Als Accessoires eines aktiven Lebensstils sind Smartwatches oder Fitnesstracker vom Handgelenk schon längst nicht mehr wegzudenken. Darüber hinaus leisten sie inzwischen wichtige Beiträge zur Gesundheitsvorsorge, zum Aufzeichnen und zum Messen von Gesundheitsdaten, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
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Wearables für mehr Bewegung
„Bewegung“ ist hier einer der Lebensstilfaktoren schlechthin, um Erkrankungen zu verhindern, aber auch um bei bereits diagnostizierter koronarer Herzkrankheit, bei Herzschwäche oder nach einem Infarkt, einer Verschlechterung der Prognose entgegenzuwirken. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche. Das sind dann zum Beispiel 5 Spaziergänge von 30 Minuten oder alternativ 75 Minuten intensivere Bewegung. Wer bei der Arbeit viel sitzt, sollte sich seinem Herzen zuliebe auch zwischendurch immer wieder bewegen. Denn selbst die Joggingrunde am Morgen reicht nicht, um einen langen Tag in monotoner Haltung auszugleichen. Wearables zeichnen auf wie hoch die Herzfrequenz ist oder der Ruhepuls oder dokumentieren die Dauer der Erholungsphase nach sportlicher Anstrengung. Schnell werden damit Unregelmäßigkeiten sichtbar, die möglicherweise die Herzgesundheit betreffen. Einige Modelle können einfache EKGs erstellen und so gegebenenfalls Daten zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern liefern.
Herzspezialisten und Spezialistinnen sehen diesen Trend allerdings nicht nur positiv. Ein Wearable mit EKG-Funktion sollte nur dann zum Einsatz kommen, „wenn das für die Diagnose oder die Kontrolle der Therapie sinnvoll ist“, sagt Prof. Thomas Meinertz von der Deutschen Herzstiftung. Und das müsse ein Arzt entscheiden. „Wearables können die bisherigen Verfahren zu Diagnose und Kontrolle der Therapie nicht ersetzen, aber durchaus ergänzen.“ Allerdings führe ein „hemmungsloses Anwenden der Geräte ohne Indikation“ eher zu Verunsicherung und zu Ängsten, die das Herz dann wiederum belasten können.
Apps fürs Herz
Gleichzeitig liegen die Vorteile der Minicomputer auf der Hand. Herzpatienten nehmen EKG-Messungen mit Hilfe ihrer Smartwatch genau dann vor, wenn sie unter akuten Symptomen wie Luftnot oder Herzrasen leiden. Behandelnde Ärzte oder Ärztinnen erhalten so die Daten, die für eine Diagnose und die Entscheidung über weitere Therapien notwendig sind. Sie müssen nicht darauf warten, dass sich während einer Untersuchung Unregelmäßigkeiten zeigen.
Auf dem Markt behaupten sich inzwischen etliche und sehr unterschiedliche Produkte. Eines der bekanntesten ist wohl die Apple Watch, die über eine EKG-App einfache EKGs erstellen und so Hinweise auf Vorhofflimmern geben kann. Sie misst außerdem die Herzfrequenz und gibt auch hier Hinweise bei Auffälligkeiten. Die Heartguide Uhr des japanischen Herstellers Omron kann über die Begleit-App HeartAdvisor unter anderem Pulsfrequenz und Blutdruck messen. Diverse hilfreiche Apps lassen sich über das Handy nutzen. Cardio Secur, ein mobiles Elektrokardiogramm für iPhone und iPad, erstellt sogar ein qualitativ hochwertiges 12-Kanal-EKG und personalisierte Auswertungen. Die Heartbeats-App von Preventicus erkennt Studien zufolge Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern. Dazu ist nichts weiter nötig als den kleinen Finger für ein paar Sekunden locker auf die Kamera des Smartphones zu drücken. Die Daten können dann ebenfalls über die App behandelnden Ärzten und Ärztinnen übermittelt werden. Entlastung für Herzpatientinnen und -patienten verspricht der BNK CardioCoach vom Bundesverband Niedergelassener Kardiologen. Diese App soll Betroffene unmittelbar bei der Therapie unterstützen. Sie kann unter anderem Arztberichte, Labor – und Röntgenbefunde, Patientenausweise oder Vitaldaten wie Blutdruck, Puls, Körpergewicht speichern und Termine notieren. Ein „Pillenwecker“ erinnert an die Einnahme von Medikamenten.
Prävention – am besten täglich
Dem deutschen Herzbericht von 2019 zufolge ist die Sterblichkeit durch Erkrankungen des Herzens in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren wieder angestiegen. Dies gilt vor allem für Herzklappen-Erkrankungen mit 1.500 Sterbefällen mehr als in 2018 und für Herzrhythmusstörungen mit über 800 Sterbefällen mehr. Rückläufig ist dagegen die Entwicklung bei der koronaren Herzkrankheit (KHK), mit einem Rückgang von über 1.600 Fällen auf insgesamt 123.975 und bei Herzinfarkten mit rund 760 Sterbefällen weniger. „Dieser Rückgang ist erfreulich und lässt auf eine Verbesserung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung, verbesserte Präventionsmaßnahmen und mehr Kenntnisse der Bevölkerung über Herzkrankheiten schließen,“ betonte Prof. Thomas Voigtländer von der Deutschen Herzstiftung bei der Vorstellung des Herzberichts. Noch immer ist die koronare Herzkrankheit, die Grunderkrankung des Herzinfarkts, allerdings jährlich mit fast 626.000 Krankenhausaufnahmen und hoher Sterblichkeit verbunden. Zur Prävention gehören weiterhin Alltagsregeln, die Expertinnen und Experten seit Jahren empfehlen. Drei Mal in der Woche moderater Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen oder Walken helfen dabei gesund zu bleiben, während Rauchen die Blutgefäße schädigt und damit ein No-Go ist. Ein starker Zuckerkonsum und zu viele gesättigte Fettsäuren sowie Übergewicht und ein hoher Blutdruck erhöhen ebenfalls das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hilfreich ist dagegen eine cholesterinbewusste, vitaminreiche Ernährung mit Olivenöl, ab und zu fettem Seefisch und viel Gemüse. Spürbar profitiert das Herz von einer Reduktion des Stresserlebens durch regelmäßige Entspannung im Alltag, beispielsweise durch Yoga oder autogenes Training und auch durch regelmäßigen, ausreichenden Schlaf.