„Er bildet zwei Drittel des Immunsystems aus, holt Energie aus Brötchen oder Tofu-Wurst und produziert mehr als zwanzig eigene Hormone.“ Der Darm ist ein völlig unterschätztes Ausnahmeorgan, sagt Guilia Enders, Ärztin und Autorin des Bestsellers „Darm mit Charme“. Für derartige Superkräfte sorgen 100 Billionen Bakterien, die sich im Verdauungstrakt zu einem Mikrobiom vernetzen, einem empfindlichen, eigenständigen Ökosystem. Klappt es mit dem Zusammenspiel der bis zu 1000 Bakterienarten, haben Grippe, Schnupfen und andere Infekte keine Chance. Mediziner lernen während ihrer Ausbildung aber leider viel zu wenig darüber, kritisiert Enders. Der Darm „besitzt einen ganzen Fuhrpark an verschiedenen Signalstoffen, Nervenisolationsmaterialien und Verschaltungsarten. Es gibt nur ein Organ, das ebenfalls eine so große Vielfalt besitzt – das Gehirn.“ Mit dieser Luxus-Ausstattung managt er nicht nur den Transport von Abfallprodukten aus der Nahrung. Seine Signale beeinflussen bestimmte Regionen des Gehirns und damit auch die Verarbeitung von Gefühlen, von Angst, Gedächtnis, Moral oder Motivation. Grund genug um in der Wissenschaft von einem „zweiten Gehirn“ zu sprechen.
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Für Neurobiologin Kelly Brogan ist der Darm Auslöser für Depressionen
In einem gut funktionierenden Verdauungstrakt wird eine Menge beruhigender und stimmungsaufhellender Hormone gebildet. Der Darm ist Hauptproduzent des Serotonins, des so genannten „Glückshormons“. Ist sein Ökosystem aus der Balance, wirkt sich das auf die Psyche aus. Die amerikanische Ärztin und Neurologin Kelly Brogan sieht im Darm den „überraschenden Auslöser von Depressionen“. Brogan zufolge entstehen diese vor allem aufgrund von chronischen Entzündungsprozessen und einem gestörten Wechselspiel zwischen Gehirn und Darm.
„Nicht jede unzerkaute Erbse mischt im Gehirn mit!“
Man darf sich das dann aber auch nicht so vorstellen, dass „jede unzerkaute Erbse im Gehirn mitmischt“, erklärt wiederum Guilia Enders. Chronischer Stress gilt beispielsweise als einer der Hauptfeinde einer gesunden Darmflora. Bakterien, die mit der stressbedingt veränderten Hormonsituation, etwa hohen Cortisolwerten, gut klarkommen, vermehren sich unter Dauerbelastung besonders erfolgreich. Das Ungleichgewicht im Mikrobiom sorgt für ein schlechtes Bauchgefühl, für Schmerzen und eben auch – trübe Stimmung.
Bewegung und Yoga können helfen
Die „westliche Ernährung“ mit viel tierischen Fetten, Fertigprodukten und Zucker fördert das Wachstum von Bakterienarten, die ihrerseits Übergewicht, einen gereizten Darm und eine geschwächte Immunabwehr begünstigen. Was der Darm dagegen liebt, weil es zu einem ausgewogenen Bakterienstatus führt, sind präbiotische Ballaststoffe, die Bakterien gut verstoffwechseln können, aus Gemüsen wie Spargel, Zwiebeln, Kartoffeln oder auch Chicorée. Vor allem aber freut sich das komplexe Organ über Bewegung – täglich eine halbe Stunde spazieren gehen bringt schon viel. Und empfehlenswert ist auch eine regelmäßige Yogapraxis, die den Darm nicht nur über entsprechende Übungen beeinflusst, sondern auch noch dabei helfen kann das ungesunde Stresslevel abzusenken.