Ulrike Schupp in STERN „Glücklich im Alter“, Dezember 2022.
Graue Strähnen, Knitterfältchen und im Badezimmer steht auf jedem zweiten Tiegel „Repair“? Wer plötzlich verstärkt für Anzeichen des Alterns sensibilisiert ist, möchte meist erstmal heftig dagegen ankämpfen. Weniger Feiern, Beauty OPs, Verjüngungsspritzen, Kräutertee, Supplements, mehr Schlaf und Sport stehen auf der Verzweiflungs-Agenda. Doch spätestens ab 65 ist die Sache klar. Der WHO zufolge zählen wir nun zu den „jungen Alten“, ein Zustand, der sich allerdings bis Mitte siebzig locker halten lässt. Einfach nur „alt“ sind wir heute erst ab 80. Spoiler: Es geht beim Älterwerden nicht nur um den drohenden Verfall, sondern es gibt dazu noch ein paar Benefits, auf die wir uns freuen könnten.
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Glücklicher im Alter
Zum Beispiel ist die Lebenszufriedenheit höher als in jüngeren Jahren, und zwar selbst dann, wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Diese „Altersparadoxon“ beweisen unter anderem die Nurses Health Study, die weltweit als bedeutendste Längsschnittstudie zu Gesundheitsthemen gilt, und die seit ihren Anfängen im Jahr 1976 auch die Lebenszufriedenheit untersucht und die „Heidelberger 100jährigen Studie“. Anders als Wissenschaftler:innen noch vor wenigen Jahren annahmen, kann sich auch das Gehirn stetig weiterentwickeln. Die kristalline Intelligenz, als Summe der Informationen und Fähigkeiten, die im Lauf des Lebens zusammengetragen, analysiert, geordnet und mit neuen Situationen abgeglichen werden, steigt mit jedem Jahr. Sie bestimmt den sozialen Erfolg eines Menschen maßgeblich mit und bringt ihm damit oft weitere Vorteile, finanziell, gesellschaftlich oder karrierebezogenen. “Altern ist Leben für Fortgeschrittene“, sagt der Mediziner und Comedian Eckhart von Hirschhausen. Mit einem positiven Altersbild vor Augen fällt es leichter, altersbedingten Schwachpunkten präventiv zu begegnen. Muskeln und Gelenke, Stoffwechsel, Kreislauflauf und Blutgefäße sowie die Psyche werden es uns danken.
Entzündungsprozesse vermeiden
Als zentrales Merkmal des biologischen Alterungsprozesses gelten „inflammatorische Prozesse“, leichte chronisch verlaufende Entzündungen im Gewebe, die nicht lokal oder auf ein Organ begrenzt sind und die zugleich als Risikofaktor für Krebserkrankungen oder Alzheimer gesehen werden. Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena fanden heraus, dass eine „reduzierte Ernährung“ Entzündungen dämpfen kann. Ursache für die entzündungsbedingte Alterung ist eine leichte Daueraktivität des Immunsystems. Die Immunzellen selbst sind dadurch so gefordert, dass sie auf Infektionen nicht mehr adäquat reagieren können. In Studien zeigte sich zunächst, die Mäuse, die 30 Prozent weniger Futter bekamen, deutlich fitter als Art- und Altersgenossen, die sich satt fraßen. Die Mäuse konnten ihre Lebensspanne sogar um 10 bis 15 Prozent verlängern. Auch bei Menschen wurde unter Kalorienreduktion eine Verbesserung der Gesundheit beobachtet. Die kalorienreduzierte Diät habe anscheinend einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom, sagt Wissenschaftler Francesco Neri. Wer jetzt am liebsten gleich reduzieren will, sollte sich vorher beraten lassen, damit trotz Diät die Nährstoffversorgung stimmt. Entsprechende Angebote gibt es über die Krankenkassen.
Das weniger mehr ist, bestätigten Forschende auch auf dem Diabetes Kongress 2022. Freiwillige Fastenperioden, durch Intervallfasten oder Fastentherapie bewirken, dass der Körper den Stoffwechsel umstellt und mehr Fett verbrennt. „Unter dem Einfluss bestimmter Hungerhormone wie Glukagon oder Kortisol nutzt der Körper den Fettabbau und bei sehr langem Hungern auch den Eiweißabbau, um die Zuckerproduktion in der Leber anzukurbeln“, sagt Professor Stephan Herzig, Direktor des Helmholtz Diabetes Centers München. „Zudem werden auch sogenannte Ketonkörper in der Leber gebildet, die dann zum Beispiel vom Gehirn als Energielieferant benutzt werden können“. Das helfe vorbeugend gegen Adipositas und Diabetes Typ2 und auch der Stoffwechsel von bereits an Diabetes Typ2 Erkrankten lasse sich verbessern. Weitere positive Effekte waren ein niedrigerer Blutdruck und eine Verbesserung der Glukose- und Blutfettwerte.
Gelenke stärken
Sind diese Werte in Ordnung, ist auch das Herz besser geschützt, das sich im Alter ebenfalls verändert. Zum einen werden Herz-Erkrankungen häufiger, zum anderen vergrößert sich das Herz etwas und die Herzwände verlieren an Elastizität, wodurch die Kammern weniger Blut aufnehmen können. Für ein gesundes Herz ist ebenso wie für die Muskeln Bewegung unverzichtbar. Empfehlenswert sind regelmäßiger leichter Ausdauersport wie Schwimmen, Walken oder Joggen, am besten in Kombination mit moderatem Krafttraining, um den Muskelabbau zu verhindern, der schließlich schon mit etwa 30 Jahren beginnt. Der Verlust an Muskelgewebe und Muskelfasern führt oft zu einer Fehlbelastung der Gelenke. Und auch diese verändern sich. Sie werden steifer, der Gelenkknorpel verschleißt und Verletzungen werden wahrscheinlicher. Effekte, die durch regelmäßiges Training zurückgefahren, zumindest aber verlangsamt werden können. Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zufolge beruhten 2020 etwa ein Viertel der Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland auf Muskel-Skelett-Erkrankungen. Die Prävention sollte hier also so früh wie möglich beginnen. Für Menschen ab 60 ist das Alltags Trainings Programm (ATP), das die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter anderem gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule Köln entwickelt hat, etwas, was sich vielleicht auszuprobieren lohnt. Es ist niedrigschwellig ist und kann ohne große Vorbereitungen in den Alltag integriert werden. Regelmäßig geübt, bietet Yoga, das zunehmend auch in speziellen Kursen angepasst an die Bedürfnisse älterer Menschen angeboten wird, ein Rundum-Programm. Die Asanas trainieren Gleichgewicht, Kraft, Flexibilität und unter professioneller Anleitung auch die Gelenke. Ein Aufwand, der sich lohnt, denn Gerontologen und Gerontologinnen zufolge, könnte es unter entsprechenden Lebensbedingungen durchaus normal werden, auch noch den 120. Geburtstag zu feiern.